Wird vom Ruhrgebiet gesprochen, dann ist von einer Region der Malocher, der Männerdomänen die Rede. Industriestandorte sind Männersache – bis heute. Das Drumherum ist Frauensache – nur wird das viel zu selten thematisiert. Mit der Skulpturengruppe „Madonnen über Tage“ (ital.= meine Dame, meine Herrin) holt Britta L.QL die Arbeit der Frauen im Ruhrgebiet aus der Vergessenheit und setzt ihnen ein verdientes Denkmal. Die Skulpturen bestehen aus dem „Ruhrpottmaterial“ Stahl und Stoff. Hier gibt es einen Rückblick auf die Idee und die bisherigen Umsetzungen des Projektes „Madonnen über Tage“
Zusammenfassung öffentliche Ausstellungen von 2009 bis 2017
Projekt „Madonnen über Tage“ entstanden in Dinslaken Lohberg
Die Idee der „Madonnen über Tage“ entstand 2009 zur allerersten ExtraSchicht in Dinslaken-Lohberg.
Die Leute aus Lohberg berichteten von dem harten Leben zu Beginn der Gartensiedlung in Lohberg. Wenig Geld, immer am Existenzminimum, Männer versaufen die „Lohntüte“ direkt nach Erhalt, wenn Männer unter Tage sterben oder verletzt werden, stehen die Frauen oftmals da mit vielen Kindern und versuchen verzweifelt alle am überleben zu halten. Aus Respekt vor diesen Frauen und auch in Anbetracht dessen, dass sich bis heute die Situation von Frauen an die Arbeitsmöglichkeiten und die finanzielle Gleichstellung nicht angeglichen hat, dachte Britta L.QL sich das „Denkmal“ „Madonnen über Tage“ aus.
2010 – zweite ExtraSchicht mit „Madonnen über Tage“ in Dinslaken Lohberg
Angefangen hat alles mit einer kleinen Gruppe „Familie der Madonna über Tage ohne Mann“, „Hausarbeit im Garten“ und „Schreibkraft“. Weil jedoch die einzelnen Skulpturen mit dem dünnen Stahlkonstrukt verloren wirkten, entstand die Idee der großen Gruppe. Frei nach dem Motta „Gemeinsam sind wir stark“, angelehnt an die „Heinze-Frauen“ aus Gelsenkirchen.
Umgesetzt werden konnte das Projekt dann zur zweiten ExtraSchicht in Dinslaken Lohberg im Juni 2010. Montur und Stahlkonstruktion waren dank einiger helfender Hände wie Dorothee Pracht fertig. So stand dann die Skultpurengruppe „Madonnen über Tage“ zum ersten Mal zusammen auf dem ehemaligen Zechengelände. Viele Menschen nutzten diese Installation für Selfies und stellten sich in die Skulpturen-Gruppe. Das sollte sich in den nächsten Jahren etablieren.
©L.QL
Ausschnitt NRZ Bericht über ExtraSchicht 2010 in Dinslaken-Lohberg zu „Madonnen über Tage“
2013 Em.share
Beteiligung mit „Madonnen über Tage“ an Gemeinschaftsausstellung des Kulturkreis Dinslaken im Museum Voswinkleshof, Dinslaken zum Thema Em.share.
Jede*r teilnehmende*r Künstler*in bekam einen virtuellen Teilabschnitt der Emscher zugeteilt und produzierte ein mögliches Kunstwerk für diesen Ort. Diese Ausstellung war gleichzeitig eine Kritik an den Ausstellungsmacher*innen des Kunstprojektes „Emscher-Kunst“. Denn hierzu wurden keine lokalen Künstler*innen aus dem Ruhrgebiet eingeladen.
2014 – Stadtfest – Vreden fängt Feuer mit „Madonnen über Tage“
Auf Einladung der Stadt Vreden wurden die „Madonnen über Tage“ im gesamten Innenstadtgebiet aufgebaut. Der Weg des verheerenden Feuers vor einigen Jahrhunderten wurde mit den weissen Skulpturen markiert. Als Geister der Vergangenheit. Viele Frauen die oftmals im Webhandwerk tätig waren wurden ihres Lebens und ihrer Arbeit beraubt.
Der Lichtkünstler Ulrich Meier zauberte mit den „Madonnen über Tage“ und seinen Beleuchtungsideen eine Kulisse der Erinnerung an das Drama in dem kleinen Städtchen.
Weiterhin bespielte Britta L.QL parallel zur Außenaktion ein Ladenlokal, in dem sich Besucher*innen mit den Madonnen fotografieren lassen konnten. Als Hintergrund diente das stilisierte, brennende Vreden.
2015 Transformationen Lohberg
Madonnen / Transformationen Lohberg
Text: Florian Langhoff
Fotos: Martin Büttner // aus Katalog Transformationen Lohberg
„Das Aufzeigen der Veränderung der Rolle der Frauen in Lohberg und die Erschaffung eines Denkmals für diese. Nichts Geringeres hatte sich Künstlerin Britta L.QL für ihr Projekt „Madonnen über Tage“ vorgenommen. Die Idee zum Projekt entstand bei einer der „Extraschicht“-Veranstaltungen auf dem ehemaligen Zechengelände. Traditionell wird der Kohleabbau unter Tage mit den Kumpels verbunden. Mit Männern, die unter Tage unter schwierigsten Bedingungen ihrer Arbeit nachgingen, um das schwarze Gold ans Tageslicht zu fördern. „Da kam die Frage auf: Was war eigentlich mit den Frauen? Und ich machte mich auf die Suche nach Antworten“, erklärte die Künstlerin. Aus dieser Suche entstand ein ziemlich umfangreiches Kunstprojekt. Zum einen die Stadtteilführung mit Anja Sommer und zum anderen eine Gruppe von Skulpturen, die „Madonnen über Tage“.
Arbeit der Frauen im Ruhrgebiet
„Der Begriff Madonna kommt aus dem Italienischen und bedeutet meine Dame oder meine Herrin“, erklärt Britta L.QL. Mit der Figurengruppe möchte die Künstlerin auf die Arbeit der Frauen im Ruhrgebiet aufmerksam machen und ihre Geschichten aus der Vergangenheit in die Gegenwart holen. „Auch die Frauen arbeiteten, teilweise unter unmenschlichen Bedingungen und meistens, ohne dafür angemessen bezahlt zu werden“, erklärt die Künstlerin.
Madonnengruppe auf dem Dach des ehemaligen Gesundheitshauses
Sowohl vom Zechengelände, mit seinem Förderturm und dem Wohngebiet gut sichtbar, verband der Blick auf die Figuren die beiden durch die Hünxer Straße getrennten Areale. Weitere Figuren markierten einzelne Stationen auf den Stadtteilführungen, die Anja Sommer durchführte.
„Die Madonnen wandern vom Zechengelände in den Stadtteil“, erklärte Britta L.QL die Idee hinter der Platzierung der einzelnen Figuren. Diese stellten damit eine weitere direkte Verbindung zwischen dem Zechengelände auf der einen und dem Stadtteil auf der anderen Seite her. Bei den Führungen war die Künstlerin selbst immer als Madonna über Tage eingebunden.
Dazu trat sie in einer schwarzen „Madonnen-Montur“ auf. Diese hatte sie gemeinsam mit der Kölner Modedesignerin Dorothee Pracht (D’oro & „gegen Regen“) entworfen und von der Lohbergerin Nuriye Koyun vor Ort nähen lassen. „Die Montur orientiert sich an der Arbeitskleidung, die von Frauen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts getragen wurde“, erklärte die Künstlerin. Funktionelle Kleidung mit Gürtel und Kopfbedeckung. Diese trugen auch die stählernen Skulpturen, allerdings in weißer Farbe. Ein Sinnbild für die arbeitenden Frauen auf dem Zechengelände und im Stadtteil. Die Montur und die Madonnen konnten die Gäste der Transformationen Lohberg 2015 am Abschlussabend in der ehemaligen Zentralwerkstatt noch einmal ausgiebig bewundern. Sowohl einige der Skulpturen als auch das Kleidungsstück fanden sich unter den Ausstellungsstücken, die hier ins rechte Licht gerückt wurden.
Britta L.QL zeigte sich begeistert vom hohen Interesse an den Stadtteilführungen und damit auch an der Frauengeschichte in Lohberg. „Ich bin mir sicher, dass es gelungen ist, auf diesem Wege ein Stück vergessene Geschichte sichtbar zu machen, und das Zechengelände und den Stadtteil zu verbinden“, sagte die Künstlerin.“
2017 „Madonnen“ am „Rotbach im Fluss der Zeit“
Oktober 2017
Tausende Lichter und ein abwechslungsreiches Programm lockten viele Dinslakenerinnen und Dinslakener nach Einbruch der Dunkelheit in die Dinslakener Altstadt. Freitag- und Samstagabend war der Rotbach in der Altstadt in den Fokus gerückt. Wechselnde Lichter, Musik, Kunst und viele Informationen rund um den Flusslauf waren dabei Hauptaugenmerk.
„Madonnen über Tage“ nennt Britta L.QL ihre weißen, geisterhaft wirkenden Kunstobjekte. Die Künstlerin wurde zu diesem Event mit den weissen Frauen-Skulpturen eingeladen und nahm mit ihrer Installation Bezug auf das historischen Leben um den kleinen Dinslakener Bach entlang der Stadtmauer – das Waschen und Trocknen der Wäsche am Fluss, das Angeln, Gras sensen etc..
Illuminierte Madonnen
Der Lichtdesigner Ullrich Meier illuminierte „Madonnen über Tage“ eindrucksvoll. Viele Menschen zog es zum Rotbach um diese Szenen zu betrachten.
Liveübertragung WDR Aktuelle Stunde
Die Lokalzeit berichtete Live von der Installation der „Madonnen“ speziell und dem Geschehen rund um den Rotbach allgemein in der Aktuellen Stunde.
Zahlreiche Fotografierende waren über Foto Wolff innerhalb eines Fotoworkshops unterwegs, um die Inszenierung zu dokumentieren. Ein paar Impressionen …
2021 „Madonnen über Tage“ zu Besuch in Wanne
2021 bewarb sich Britta L.QL auf eine Ausschreibung von „Freiraumluxus“. Hier ging es um Kunst im öffentlichen Raum im Kreativ.Quartier Wanne im Rahmen der Corona-Pandemie. Die Madonnen über Tage sollten das Ruhrgebiet entdecken und an anderen Ort als Dinslaken installiert werden und für Diskussionen sorgen. Das Thema ist schließlich nicht allein ein Dinslakener Thema.
Britta L.QL entdeckte das „kleines Café Klatsch“ in der Wanner Innenstadt. Schon allein der Name stellt einen prima Zusammenhang zum Thema. Gülten Karaaslan, Inhaberin „Kleines Café Klatsch“ unterstützte die Ausstellungsidee. Kurze Zeit später bekam Britta L.QL eine Zusage von Stefanie Thomczyk aus der Agentur Go Between, die Freiraumluxus und das Kreativ.Quartier Wanne organisierte. So kam es zur ersten Installation in Wanne.
2021 sind die Madonnen im Hallenbad
Im Rahmen des Corona-Stipendiums für Künstler:innen bewarb sich Britta L.QL mit den „Madonnen über Tage“ für eine Ausstellung „work in Progress“ im Projektraum „Hallenbad“ / Kreativ.Quartier Wanne. Die Zusage kam umgehend. Das hieß nun zwei Wochen lang in Wanne zum Thema Madonnen zu arbeiten.
Stefanie Thomczyk, die den Projektraum „Hallenbad“ organisierte, vermittelte das Projekt an den „Mondkanal“. Ein lokaler YouTubeKanal, organisiert von Roland Schöning. Plötzlich stand Roland Schöning im Ausstellungsraum und bekundete sein Interesse über das Projekt „Madonnen über Tage“ einen kurzen Film zu drehen, der dann im Mondkanal veröffentlicht werden sollte.
Hier gehts zum Bericht über den Drehtag, den Mondkanal und zum YouTube Video im „Mondkanal“
Mehr zu den Aktivitäten im Hallenbad >> 2021 Madonnen über Tage in Wanne
#Heimatruhr war ein Kongress zur nächsten Förderrunde der Kreativ.Quartiere im Ruhrgebiet Ende 2021 in der Rotunde in Bochum. Stefanie Thomczyk lud Britta L.QL ein, mit den „Madonnen über Tage“ Freiraumluxus bei diesem Kongress zu repräsentieren. Gemeinsam wurde eine Projektpräsentation aller Kunstprojekte der letzten Förderrunde inklusive Madonnen über Tage überlegt. Britta L.QL erstellte zusätzlich den Präsentationsfilm.
Insgesamt waren fünf Projekte aus dem Ruhrgebiet eingeladen. Unter anderem auch Christoph Lammert, der die Szeniale in Gelsenkirchen Ückendorf unter anderem mit organisiert. In diesem Zusammenhang bewarb sich Britta L.QL für die nächste Szeniale 2022.
Abschließend wurde ein Gruppenfoto mit Ministerin Ina Scharrenbach vor der Rotunde in Bochum gemacht.
2022 sind die „Madonnen über Tage“ unterwegs
Oberhausen: Die Zinkfabrik Altenberg und das Zentrum Altenberg in Oberhausen kannte Britta L.QL über die Geschichtswerkstatt Oberhausen und empfand es als einen passenden Ort, um die Gruppe „Madonnen über Tage“ zu installieren.
Nach einer Präsentation der Idee 2021 bei dem damaligen Direktor Dr. Burkhard Zeppenfeld wurden die „Madonnen“ zur „ExtraSchicht der Industriekultur“ 2022 auf dem Gelände des Zentrum Altenberg eingeladen.
>> zur Installation „Madonnen über Tage“ bei der „ExtraSchicht 2022“
Gelsenkirchen: Die Szeniale Gelsenkirchen – das Festival der Künste, verbindet Kultur mit Stadtteilentwicklung. Regelmäßig werden Ausstellung, Konzerte und andere kulturelle Veranstaltungen rund um die Bochumer Straße in Gelsenkirchen Ückendorf organisiert.
2022 wurden die „Madonnen über Tage“ dann tatsächlich für einen Tag vor der Kulturkirche „Heilig Geist“ mit Hilfe einiger tatkräftiger Ückendorfer aufgebaut.
>> mehr zur Szeniale und der Installation „Madonnen über Tage“ in Gelsenkirchen
Blick auf die Madonneninstallation vor der „Heilig Geist Kirche“ ©Szeniale22